STEINWORTE
FOTOAUSSTELLUNG VON WILFRIED BEEGE (1944-2024)
Bei der Vernissage wurden von wechselnden Sprechern folgende Texte vorgetragen:
Eine geheimnisvolle Kraft,
eine stille Wirksamkeit
zieht die Wolken,
wäscht den Stein,
gräbt die Erde,
reißt mir das Herz aus.
Alles hat seinen Geist
Ein Tal, ein Berghang, ein Gehölz.
Rühre nichts an, keinen Stein, hörst Du!
Zerstöre nichts, keinen Grashalm,
keinen Baum.
Laß die Sandkörner an ihrem Platz
und die Berge.
Alles hat seinen Geist.
Was willst Du verändern,
was könntest Du besser machen?
Ganz von selbst erhebt sich Abendwind
und schließt die Blüten.
Die Steine bewegen sich
Steine können sich nicht bewegen.
Aber ein weiser Mann hat mir gesagt: “Einige bewegen sich.”
Alles ist von einem lebendigen Geist erfüllt.
Er ist hier und dort und überall, und für seine Kraft gibt es keine Grenzen.
Die ganze Schöpfung ist sein Werk.
Die Vögel fallen nicht vom Himmel,
die Ameisen kennen ihren Weg,
die Muttertiere wissen, wann die Stunde gekommen ist, das Junge zu werfen.
Die Alltäglichkeit dieser Welt ist ein großes Wunder.
Daß die Steine sich bewegen, auch das ist ein Wunder.
Man kann nicht sagen, warum es so ist, aber es geschieht.
Wer sagt, daß sich Steine nicht bewegen, dessen Verstand ist starr
und dessen Herz ist unbeweglich geworden.
Nie bin ich einsam
Nie bin ich einsam im Schatten der Berge, nie allein in der Wüstenebene.
Der Stimme des Felsens lausche ich, dem Rufen der Erde, dem Flüstern der Sterne in der Nacht.
Fragt man mich, was sie sagen, keine Antwort weiß ich
Wie soll ich ihr Schweigen weitersagen?
Ich bin ein Felsen
Ich bin ein Felsen.
Ich habe Leben und Tod gesehen.
Ich habe Glück erfahren, Sorge und Schmerz.
Ich lebe ein Felsenleben.
Ich bin Teil unseres Vaters, des großen Geheimnisses.
Ich habe seinen Kummer gefühlt und seine Weisheit.
Ich habe seine Geschöpfe gesehen,
meine Brüder, die Tiere,
die redenden Flüsse und Winde,
die Bäume, alles, was auf Erden ist.
Ich bin mit den Sternen verwandt.
Ich kann sprechen, wenn Du zu mir sprichst.
Ich werde zuhören, wenn Du redest.
Ich kann helfen, wenn Du Hilfe brauchst.
Vielleicht denkst Du, ich sei bloß ein Felsen,
der in der Stille daliegt
auf weitem Grund.
Aber das bin ich nicht.
Ich bin Teil des Lebens.
Ich lebe!
Bevor wir beim Namen gerufen wurden
Im Anfang war das Schweigen.
Das Schweigen der Felsen,
des Himmels, der Gräser.
Das Schweigen der Nacht
und des Schöpfungsmorgens.
Lange bevor alles beim Namen genannt wurde,
bevor Berg zu Berg,
Stein zu Stein,
Erde zu Erde wurde,
war schöpferisches Schweigen.
Ewigkeit aller Ideen und Worte,
Respekt des Lebens vor dem Geheimnis.
Bevor ich, bevor wir alle beim Namen gerufen wurden, war die Welt wortlos.
Aus: In die Mitte der Welt führt deine Spur.
Texte Indianischer Weisheit, zusammengestellt von Wolfgang Poeplan. Verlag Christophorus/Kaufmann
Weitere Fotos von Wilfried Beege im Web: http://www.beege.de