WOLKENWORTE
FOTOAUSSTELLUNG VON WILFRIED BEEGE (1944-2024)
Beegee über seine Arbeit, Vernissage Ausstellung CATWALK
Beegee bei der Arbeit, Film von Matthias Seldte
Diashow mit 109 Wolkenbildern
... besucher schauen WOLKENWORTE, fotografien:
bedrohliche formen, phantasiebeflügelnde erscheinungen,
drachen, embryos, tanzende geistwesen, heitere wolken...
Gedichte, die die erde in den himmel schrieb.
Aufgereiht wie fenster in kalten mauern uralter schmiede.
Blicke in eine anderwelt.
Für jeden ureigene gedanken, gewebt aus eigenem erleben.
So mancher betrachter spürt den inneren gedankensog,
den diese fenster nach draußen entstehen lassen.
Eine naturmystikwelt voller blau-weisser farben,
manchmal lustig, auch dekorativ,
manchmal fast den kitsch hofierend, subtil.
Wieso auch nicht,
wo die sehnsucht der welt nach schönem, nach träumen
in einer kälter werdenden welt immer größer wird.
Genauso subjektiv wie meine bilder, klingen nach in mir den ganzen abend,
den ganzen morgen die dröhnenden celli,gespielt von andré mergenthaler.
Für mich das musikalische pendant zur heilen bilderwelt
und so wurde aus subtilen klängen
auch grollwolkendonnernd getöse,
bis zur schmerzgrenze vervielfältigt, ein kraftvolles orchester.
Nur, da war nur einer: andré und sein cello...
Perfekt getimete schuhspitzen zirkeln bereits gespieltes in den hintergrund.
Minimalistische klänge überlagern, akkumulieren,
klingen vielfach musikalisch sich windend,
elektronisch sich koppelnd bis zur Schmerzgrenze donnernder gewitterwolken,
um im nächsten augenblick hallend,
schwebend nachzutönen in der stille...
dann wieder simpelschlichte töne
wie zartrosa pinselstriche am abendlichen himmel ...
Wilfried Beege
HIER HIMMEL
Zu Wilfried Beeges „Wolkenworten“ von Günter W. Remmert
Seine Mutter schätzte das Verhalten ihres Jungen ganz und gar nicht: Hans-guck-in-die-Luft nannte sie ihn. Und selbst in eines seiner Schulzeugnisse fand diese Beurteilung Eingang. Glücklicherweise ließ er sich aber nicht beirren. Dokumente seines inzwischen erwachsen gewordenen Blicks nach oben finden sich in seinen Fotos "Wolkenworte".
Was ist das für eine Erfahrung, nach oben zu schauen? Es ist der Blick zum Himmel: tagsüber zur Bläue und zu den Wolken, nachts in die Schwärze, zum Mond und den Sternen. Sieht man den Himmel, wenn man zum Himmel schaut? Viele sehen einfach nur meteorologische Zeichen: ob es bald regnen wird oder wie die Chancen für den Garten oder einen Spaziergang stehen. Das Schauen früherer Generationen, gläubiger Juden, früher Christen oder frommer Muslime, scheint uns abhanden gekommen. Wenn sie nach oben schauten, blickten sie in den Himmel. Und selbst im alten China schaute man so der Lieblingsbeschätigung der Götter zu, nämlich Schach zu spielen.
Wenn Wilfried Beege nach oben schaut, sieht er, was er uns in seinen Lichtbildern zeigt: Licht und Wolken, Wolken und Licht. Wolken in ihrem unendlichen Formenreichtum, in andauernd wechselnden Formationen, in ständigem Neuformen und Vergehen, Auflösen und sich Verschieben, übereinander Lagern, Zerreißen und Verdampfen, Licht Sammeln, Brechen und Reflektieren, Weitereilen, nie dieselben Bleiben und keine Spur Hinterlassen.
Jenseits von segenbringend oder urlaubsverderbend fotografiert er ihre flüchtige Gestalt, die so und nicht anders nur für Bruchteile für Sekunden existiert. Zu spät auf den Auslöser gedrückt, heißt: vorbei ist vorbei. Zu früh ist genauso daneben.
Blicke nach oben als Einsicht in die Vergänglichkeit? Ja, vielleicht auch, aber vor allem Blicke in unendliche Variation, in ständig spielende Kreativität, in unaufhaltsam wechselnde Schönheit. Der heimliche Titel, den diese Wolkenbilder tragen, heißt: Hier Himmel.
In einem Gespräch wies Wilfried Beege darauf hin, dass er nur Oberfläche fotografiere. Ist das aber tatsächlich nur Oberfläche, was wir in seinen Bildern sehen? Welcher Glanz, welche Schönheit in etwas, was immer über uns ist! Wie viel Bemerkenswertes im Offensichtlichen! Dem Betrachter mögen Zweifel kommen, ob Oberfläche tatsächlich nur Oberfläche sei. Vielleicht sind unsere Begriffe unnötig einengend, irrende Konstruktionen. Oberfläche ist nicht einfach nur Oberfläche. Und ganz entsprechend verhält es sich mit der Tiefe. Tiefe kann auch Oberflächliches zu Tage bringen und Oberfläche auch Tiefes. Nachdem ich die Gelegenheit hatte, mehrere Monate mit diesen Fotos zu leben, entwickelte ich jedenfalls einen neuen Sinn dafür, nach oben zu schauen: diesen Blick einfach nur zu genießen, beim Zuschauen die Zeit verstreichen zu lassen. Absichtslos, doch mit Interesse. Fließende Aufmerksamkeit in Nicht-Nützlichem.
Ganz nebenbei sind diese Fotos eine Ehrenrettung der Wolken. Besonders bei Urlaubstreibenden und Rentnern stehen sie in keinem guten Ruf. Frauenverbände protestierten gegen die ausschließliche Benennung der Tiefs mit weiblichen Vornamen. Den Meteorologen half keine Beteuerung, dass die Tiefs das eigentlich Interessante in der Wetterforschung seien und vor allem das entscheidend Nützliche für die Natur. Seitdem haben wir, der politischen Korrektheit sei Dank, auch männliche Wolkenballungen und Sturmfronten. Regenmacher ist in unseren Breiten jedenfalls kein anständiger Beruf.
Wilfried Beege gibt in seinen Wolkenbildern den Wolken ihre Würde zurück. Seine Fotos laden uns ein zu verweilen und zu staunen. Zu verweilen beim Alltäglichen. Zu staunen über das, was sich vor aller Augen abspielt. Wer mehr sieht, hat mehr Recht. Unsere Wohnräume mit ihren oft langweiligen Decken lassen es uns leicht vergessen: Oben gibt es noch viel mehr zu entdecken.
ANSPRACHE ZUR VERNISSAGE VON MECHTILD PUSCHMANN
Liebe Gäste zur Eröffnung unserer Ausstellung,
im Anfang war das Wort und heute am Pfingst-Montag sind es "Wolkenworte" von Wilfried Beege.
Als erstes möchte ich Dich, Wilfried, selbst zu Wort kommen lassen mit einem köstlichen Text, den Du an Günter gemailt hast:
"Im Übrigen habe ich mich spontan entschlossen, die besprochene Ausstellung zu realisieren!
WOLKENWORTE
Worte in Bildern ohne Worte von Wilfried Beege
(na, dieser Text läuft ja über die Lippen wie Watte!
Achtung Günter: Pfeife mich zurück, wenn ich zu schwülstig werde!)
Allein wenn ich nur "Himmel" in meine Datenbank eingebe, kommen von den über 150 erscheinenden Bildern schon 27 sehr schöne Wolkenworte ... und wenn ich davon nur die puristischsten nehme, habe ich schon eine gute Basis für eine Ausstellung. Nur ein Beispiel, (weil Du fragtest, ob ich die erst fotografieren müsste): Dieses Bild des "Donnervogels" erschien mir frühmorgens bei der Anfahrt zu einer Location für Modefotos. Kurz nach Sonnenaufgang, alle pennten noch im Auto. Ich muss ja Gott sei Dank nicht selber fahren und so sah und sehe ich viele Himmel in meinem Leben. In diesem Fall: Mensch! Anhalten! Warnblinker rein, Seitenstreifen, Autobahn GC1 Gran Canaria. Februar 2004...
Heraus kam dabei eine ganze Serie von Wolkenbildern, auch im Detail und mit einem Schwarm Möven und und und ...Ich bin immer Fotograf!!!"
Lieber Wilfried,
vielleicht bist Du geboren als Fotograf -
im Jahre 1944 im Sudetenland, heute Tschechien,
Deine Kindheit hast Du in Thüringen verbracht.
Deine Familie flüchtete 1951 in den Westen: Berlin, Oberfranken, Niederbayern,
und 1955 bekamst Du die erste Kamera, eine Box-Agfa-Klack.
Offenbar hast Du dann einige Jahre im Internat Benediktiner-Kloster Metten zugebracht.
1962 Musisches Gymnasium Straubing, "rasender Reporter" sämtlicher Schülerzeitungen
1966 Abitur, Staatslehranstalt für Fotografie in München anschließend. Fotoreporter Münchner Tageszeitung, Bühnenfotos, Aktionstheater, unter anderem bei R W Fassbinder.
1968 Abschluss als Klassenbester
1969 Fotoassistent Modefotostudio bei Rüdt von Collenberg
1970 Cheffotograf und Studioleiter des Verlages Aenne Burda, Offenburg
Im Jahre 80 Saisonal Runwayspezialist bei den internationalen Modeschauen in Mailand, Paris, New York
1983 Studienaufenthalt in New York City
1984 Modefotografie im Verlag Aenne Burda
Seit 1989 Selbständiger Fotodesigner
Lieber Wilfried,
in der Schmiede hast Du uns schon zwei Ausstellungen präsentiert.
Die erste sind Worte in Stein - Steinworte. Die zweite sind Worte in Licht - Lichtworte.
Günter machte darüber in einer Unterhaltung die Aussage, dass Du Dich von der Erde in die Lüfte bewegt hast. Das hat mir sehr gut gefallen.
Von dem ganz Irdischen, dem Stein, dem Urgestein (von dem ich viel in Dir gefunden habe, in den letzten Tagen), was wir als das Festeste, das Massivste, das Präsenteste erleben auf unserer Erde, aufwärts zum Erdfernen.
In den Lichtworten als Lichtbildner - wie eine schöne, alte Bezeichnung sagt - habe ich Dich erlebt als jemand, der uns auf das Licht aufmerksam macht, die vielfachen Facetten von dem, was durch Licht bewirkt wird, wie Licht in uns wirkt und wie vielleicht auch das Licht der Erde ausstrahlt, so wie aus jedem Einzelnen.
Heute sehen wir deine Wolkenworte, irdisch, aber nicht erden, die Wolken sind immer noch Teil der Erde innerhalb des Äthers. Aber wenn wir nach oben schauen von der Erde aus, sehen wir den Himmel und gleichzeitig durch die Filterung der Atmosphäre hindurch das kosmische Schwarz, in ein schönes Blau verwandelt
Das Wasser, was vom Licht aus dem Kosmos aufgenommen wird, in die Luft steigt , steigt an den Himmel, zeigt sich uns als Wolken, als Phantasiebilder, sehr wandelbaren Bildern, nie gleich und unterschiedliche Aspekte in uns selbst anstoßend. Das alles regnet auf uns wieder herab und nährt neues Leben. Aus Wasser und Licht machen Pflanzen ganz viel und sie sind lebensnotwendiges Pendant für uns Menschen.
Der Blick an den Himmel ist gleichzeitig ein Blick in die Unendlichkeit. Wir könnten sie nicht ertragen, wäre nicht der Äther dazwischen. Denn wir verweigern uns manchmal noch, der Unendlichkeit ins Auge zu blicken.
Du ermöglichst uns durch Deine Fotos einen Blick in Deine Sichtweise, wie Du den Moment erlebst, wie Du ihn siehst. Du hältst ihn fest, so können wir Anteil haben an Deinem Moment und gleichzeitig Teil haben an unserem eigenen Moment.
Wenn ich Deine Bilder anschaue, dann sehe ich einen Aspekt von Dir, der mit mir in Resonanz geht.
Deine Rest-Unendlichkeit sehe ich nicht. Aber meine eigene Unendlichkeit sehe ich. Das schenkst Du uns durch Deine Bilder.
So, wie jeder Ausschnitt von etwas Großem das Ganze enthält, so enthält jedes Bild eben Unendlichkeit. Und in dieser Verbindung ist es nicht mehr trennbar, ob Du das bist oder ich das bin oder wer auch immer. Es wird Eins. Wir werden eins und die Grenzenlosigkeit entsteht. Auf einmal können wir Unendlichkeit annehmen.
Ich finde auch den Titel wunderschön: WOLKENWORTE
Es ist ein sehr belebendes Wortspiel: Sind es nun Worte für die Augen oder Bilder für die Ohren? Wie betrachte ich das? Wie schwingt es in mir? Ich werde erinnert an Joachim Ernst Berendt, von dem der Satz bekannt ist "Die Welt ist Klang". Er hat es uns in seinen Ausführungen nahe gebracht. Auch bei ihm kommen wir wieder zum Stein. Selbst der Stein ist Schwingung, selbst der Stein ist Moment. Uns fehlen manchmal nur die Ohren, die inneren Ohren und ich erlebe Deine Bilder als eine Möglichkeit, diese in Schwingung, in Resonanz, in Rhythmus zu bringen. Wir haben es an diesem ganzen Wochenende mit unserem Körper, unserer Stimme und mit unserem ganzen Sein durch Stefanie M'Aria erlebt.
Ich kann Deine Bilder in mir tönen lassen und hinspüren, welche Resonanz sie in mir auslösen, welche Stimmung sie ansprechen, wo ich sie in meinem Körper empfinde.
Deine Bilder selbst sind wie ein Spiel. Will ich ein Bild anschauen, so sehe ich mindestens zwei: Ich sehe das Fotografierte und das sich darauf spiegelnde Bild im Glas. Also ich sehe Deine Fotografie und den Raum, in dem das Bild hängt. Beides verbindet sich nahtlos. Ich kann den Blick springen lassen; ich kann mir Deine Fotografie von einem Ausschnitt der Flüchtigkeit anschauen und es verbunden sehen mit der gegenwärtigen Flüchtigkeit des Augenblicks, mit dem konkreten Raum. Neue Kompositionen entstehen.
Dann sehe ich mich, im Glas. Es gibt nur wenige Bilder, wo das nicht geschieht. Ich kann schauen, ob ich im Zentrum stehe oder ob ich meine Silhouette an der Peripherie erkenne. Welche Position habe ich eingenommen? Es verbinden sich automatisch drei Elemente – mindestens. Es ist jedes Mal ein neues Geschehen. Mit jedem "Vor-ein-Bild-treten" passiert etwas Neues.
Die Wolken sind im Raum, der Raum ist in den Wolken und sehr irdisch.
Deine Bilder geben mir ein Gefühl für die Schöpferkraft und die Spiritualität im irdischen Leben.
Ja, und das alles geschieht, wenn ich es zulasse, in mir drin, durch etwas, was du uns scheinbar von außen gibst. Es ist für mich ein ganz großes Geschenk, dass ich heute diese Ausstellung eröffnen darf.
Weitere Fotos von Wilfried Beege im Web: http://www.beege.de