Verein zur Förderung persönlichen Wachstums e.V.

Der Verein hatte seinen Sitz 1995-2017 in Welschbillig (Nähe Trier/Luxembourg).

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Mein Weg im Aikido

Magdalena Maspoli

Zertifikatsarbeit im Rahmen der Langzeitgruppe 1999-2001
im Seminarhaus SCHMIEDE, D-54298 Welschbillig

Kapitel 1: Aikido
Kapitel 2: Training
Kapitel 3: Eindrücke
Kapitel 4: Werdegang
Anhang: Glossar
Anhang: Literatur

(Fotos: Ulrich Alscher, Wenden; Alice Jaeckel, Zürich)

Einleitung

Seit zwei Jahren bin ich im so genannten Ruhestand. Zur Ruhe kam die Hektik, das Gesteuertsein durch zu erledigende Berufsarbeiten, das angestrengte Organisierenmüssen, die Zeitbedrängnis. Es vergingen einige Monate, in denen ich meinen eigenen Bedürfnissen Raum gab, mich treiben ließ beim Spazierengehen, bei Arbeiten im Garten, beim Lesen, beim Reisen. Langsam wuchs der Wunsch nach geordnetem Entdecken brachliegender Fähigkeiten und ich meldete mich an zu einem Langzeitkurs im Seminarhaus SCHMIEDE, Welschbillig bei Trier. Kreativität der Seele - zu diesem Thema wollte ich mir Zeit nehmen und Zeit lassen und mit anderen unter kundiger Leitung diesen Weg wagen. An sieben Mehrtagestreffen verteilt über zwei Jahre entdecken und entwickeln wir unsere Traumfähigkeit, die Kräfte der Imagination, die Geheimnisse von Urformen und Ursymbolen.

Eine Auswirkung dieses Seminars ist, dass ich das schon jahrelang betriebene aikido-Training intensivierte und die dort gemachten Erfahrungen einmal sammeln wollte. Über lange Zeit hatte ich bei mir und anderen beobachtet, wie nach intensivem und zähem Üben Veränderungen sichtbar wurden:

Was genau bewirkt diese Veränderungen? Wo liegen die Wurzeln dafür? Was hält die Übenden bei der Stange? Warum unterwerfen sie sich dem anstrengenden Training? Was hilft und gibt Kraft, immer wieder über den eigenen Schatten zu springen? Das möchte ich in dieser Zertifikatsarbeit herausfinden.

Antworten suchte ich in der mittlerweile zahlreich vorhandenen Literatur. Die meisten der ausnahmslos männlichen Autoren erklären, zeigen, dokumentieren den aikido-Weg klar, analytisch, schematisch, sachlich. aikido hat klare Strukturen, eine Menge Übungstechniken, die vielfältig kombiniert werden können und mit japanischen Bezeichnungen präzis benannt werden. Beim Lesen der Bücher entstand in mir die gleiche Verwirrung, wie ich sie aus vielen Trainingsstunden meiner Anfangszeit her kannte. Nur bei zwei französischen Autoren (A. Nocquet und A. Protin) fand ich etwas von dem ausgedrückt, was ich im aikido fühle, aber kaum ausdrücken kann. Es ist eine belebende Wärme da, die mich anspornt, dran zu bleiben und weiter zu machen, die ich auch in schwierigen Momenten beim Schreiben dieser Arbeit fühle.

Durch das Schreiben über aikido wurde ich aufmerksamer für die im Training herrschenden Stimmungen. Jetzt merke ich immer deutlicher, wann Übungen zu schnell, zu unsorgfältig oder zu schematisch ausgeführt werden und nicht meinem Tempo entsprechen. Ich spüre, wie es notwendig ist, bei meinem eigenen Tempo zu bleiben. Dabei ist mir eine kleine Trainingsgruppe von älteren Frauen hilfreich geworden, die ich seit Sommer 2000 anleite. Wir treffen uns zweimal wöchentlich am frühen Morgen im nur wenig erwärmten Übungsraum. Nach einstündigem Training sitzen wir noch 15 Minuten im Schweigen und gehen nachher bereichert jede in ihren Alltag zurück. Diesen Teilnehmerinnen danke ich ganz herzlich, sie waren mir eine große Unterstützung beim Schreiben dieser Arbeit.

Meine Begeisterung für aikido habe ich schon vielen Menschen mitgeteilt. Die Erfahrungen aus dem Tun lassen sich allerdings nur dürftig in geschriebene Worte pressen.

Mit dieser Arbeit richte ich mich speziell an ältere und körperlich weniger geübte Frauen und beschränke mich auf einfache Übungen, die mir zum Erfassen des Wesentlichen von aikido wichtig sind. Ich gebe einen kurzen Überblick zu Entstehung, Entwicklung und Philosophiee und Anmerkungen zum Training. Im Kapitel "Einstieg für Ältere" sind wichtige Grundlagen ausführlich beschrieben und sind zum weiteren Üben hilfreich. Erst nach dem konkreten Üben ist es den Leserinnen nachvollziehbar, was ich unter Beobachtungen und "Eindrücke beim Trainieren" und "Mein Werdegang" schildere. Vielleicht können sie danach etwas von dem bestätigen, was ich in der Beantwortung der Eingangsfrage zusammengestellt habe. Als Anhang füge ich ein Glossar bei, in dem die in dieser Arbeit benutzten japanischen Ausdrücke aufgeführt sind, und ein Literaturverzeichnis. Beides ist nur ein kleiner Ausschnitt, der aber für diese Arbeit genügen mag. Ich verzichte auf ein Verzeichnis der Übungsstätten für aikido. Es gibt inzwischen fast in jeder Stadt ein eigenes aikido-dojo oder aikido-Unterricht in Budo-Center. Da es wichtig ist, selbst zu prüfen, an welchem Ort und bei welchem Lehrer ich mich wohl fühle, empfehle ich sehr, einige Probestunden zu besuchen und erst danach eine längerfristige Verpflichtung einzugehen.

Noch eine Auswirkung hat die Erstellung dieser Zertifikatsarbeit: Ich wollte nie mehr an einem Computer arbeiten. Dank dem Zuspruch meines älteren Sohnes habe ich mir ein tragbares formschönes Note-Book gekauft, das ich an seinen größeren Computer anhängen kann und die Gestaltung und das Ausdrucken mit Hilfe seiner Freundin bewerkstellige. Ohne diese Unterstützung und derjenigen von Freundin Margrit wäre diese Arbeit noch nicht auf dem Papier. Dafür danke ich herzlich.

Auch wenn jetzt die Arbeit vorliegt, ist sie längst nicht fertig und erst recht nicht vollständig. Im weiteren Training und überdenken werden mir hoffentlich noch viele Erfahrungen mmglich sein.

Entstehung, Entwicklung und Philosophie

Wer gut zu führen weiß, ist nicht kriegerisch.
Wer gut zu kämpfen weii, ist nicht zornig.
Wer gut die Feinde zu besiegen weii, kämpft nicht mit ihnen.
Wer gut die Menschen zu gebrauchen weiß, der hält sich unten.
Das ist das Leben, das nicht streitet;
das ist die Kraft, die Menschen zu gebrauchen;
das ist der Pol, der bis zum Himmel reicht.
Tao te king (LXVIII) (zitiert aus Protin S. 34)

aikido wurzelt in der jahrhundertealten Tradition der japanischen Kampfkünste. Schon auf sehr alten Rollbildern und Wandschirmen findet man Darstellungen von Schwert- und Stockkämpfen. Bekannt sind die Samurai-Kämpfer, die sich nicht nur durch ihr einzigartiges kämpferisches Können hervortaten, sondern auch durch ihr Eintreten für eine Idee und für verfolgte und unterdrückte Menschen - nicht selten durch Hingabe ihres eigenen Lebens (bushido). Kein Wunder, waren doch die Kampfkünste von allem Anfang beeinflusst von den alten Weisheitslehren aus China und Japan (Shintoismus, Buddhismus, Taoismus, Konfuzianismus). In kriegerischen Zeiten lag das Schwergewicht der Ausbildung auf dem Beherrschen und Gebrauch der Waffen zu militärischen Zwecken. In ruhigeren Zeiten gehörte die Schulung der geistigen Kräfte gleichwertig zur kämpferischen Ausbildung.

So lässt sich in den vergangenen Jahrhunderten eine Entwicklung feststellen, die vom Kampf mit dem Ziel zu töten (bujutsu) über den Kampf zur körperlichen Ertüchtigung (budo) zum Kampf als Weg (do) zur persönlichen und überpersönlichen Vervollkommnung führt.

Vielleicht war das Aufkommen der Massenvernichtungsmittel mit ein Grund für diese Entwicklung. Dadurch wuchs die Sehnsucht der Menschen, einen friedfertigen Weg zur Überbrückung der Gegensätze bzw. Unterschiede zwischen den Menschen zu finden.

Diese Entwicklung wird sichtbar im Leben von Meister Morihei Ueshiba. Er lebte von 1883 bis 1969 in Japan. Im Laufe seines langen Lebens suchte er nach einer praktikablen Form für diesen friedfertigen Weg.

Morihei Ueshiba war in ländlicher Gegend aufgewachsen. Von kleiner und schwächlicher Statur übte er seit seiner Kindheit die traditionellen Kampfkünste, besonders den Schwertkampf. Dieses körperliche Training genügte ihm nicht. Er suchte nach einer ergänzenden, tragenden Philosophie. Diese fand er im Shintoismus und studierte viele Jahre bei einem hervorragenden Meister, bis er selbst zum Meister wurde. Damit verschmolzen zwei Wege zu einem, der des Kampfes und der der Friedfertigkeit.

Morehei Ueshiba (1962)
"Ihr sollt aikido zuerst als budo-Kunst verstehen
und dann als Weg, dem Aufbau der Weltfamilie zu dienen.
aikido ist nicht für ein einziges Land gedacht.
Sein Zweck ist es, das Werk der Schöpfung zu vollbringen.
Wahres budo ist liebevolles Beschützen aller Wesen im Geist der Versöhnung..."
Aus den Schriften von Meister Ueshiba (zitiert aus Trevisan S. 21)

Ein einzigartiges Erlebnis veranlasste Meister Ueshiba, diesem Weg einen eigenen Namen zu geben: Bei einem Zweikampf mit einem jungen Marineoffizier erkannte er urplötzlich, wie die Klarheit des Geistes und des Körpers das Ki des Universums mit dem Ki des Individuums verbindet. Ab diesem Zeitpunkt betonte Meister Ueshiba, dass "das wahre Budo, nämlich den Weg großer Harmonie und großer Liebe für alle Lebewesen bedeutet".

Seit 1942 gab er diesem Weg, in Abgrenzung zu den budo-Kampfarten den Namen aikido

Schon vor dem zweiten Weltkrieg hatte Meister Ueshiba viele Schüler und leitete Trainings und Lehrgänge. Als während des Zweiten Weltkriegs seine Lehrtätigkeit eingeschränkt war, setzte er seinen langjährigen Traum von einem spirituellen Zentrum in ländlicher Gegend in die Tat um. In noch dünn besiedeltem Gebiet bei Iwama erwarb er ein Waldgebiet, bebaute das Land und erstellte den so genannten aiki-Schrein, der den Weg des aiki, also den Geist des aikido symbolisiert, und ein überdachtes dojo (Übungsraum) im Freien, um die Beziehung zwischen dem Training und der schöpferischen Lebenskraft in der Natur erfahrbar zu machen.

Nach Kriegsende erhielt Meister Ueshiba, dessen Training als friedfertiges - im Unterschied zu anderen budo-Künsten - bekannt war, von den amerikanischen Besatzungsmächten die Erlaubnis, Lehrgänge zu erteilen. Seine Schüler aus der ganzen Welt übten in der spartanischen Einfachheit seines dojos und erhielten nach strenger, anforderungsreicher Schulung von Meister Ueshiba den Auftrag, aikido auch in ihre Heimatländer zu tragen. Inzwischen gibt es in den größeren Sttdten der USA aikido-dojos . Im westlichen Europa setzte die Ausbreitung des aikido-Trainings in den 60-er Jahren ein. Heute gibt es an vielen Orten in Frankreich, Deutschland und der Schweiz die Möglichkeit, aikido zu üben.

Je nach Herkunft und Schulungsweg, den die dojo-Leiter gegangen sind, unterscheidet sich das Training in den jeweiligen dojos. Selbst die unmittelbaren Schüler von Meister Ueshiba haben unterschiedliche Schwerpunkte im Vermitteln des aikido gesetzt, so dass es heute verschiedene aikido- Richtungen gibt. Die einen Lehrer bleiben bei den harten, klaren Grundlagen, wie sie in Japan gelehrt werden. Andere nehmen fließende, weiche Bewegungen (z.B. im Kinomichi von Meister Noro) in die Grundlagen, die den westliche Menschen mehr entgegenkommen. Für den suchenden Schüler ist es wichtig, mit aufmerksamem Blick den Stil des Unterrichtenden zu beobachten um herauszufinden, welcher seinem eigenen Wunsch nach friedfertigem Kämpfen entspricht.

"Wahres budo bedeutet, Leben zu beschützen,
und ist die Quelle alles Schöpferischen.
Wer danach strebt, aikido zu erlernen, sollte sein Herz öffnen
und nach der Erkenntnis des göttlichen Wesens handeln.
Ihr sollt die große Befreiung durch aiki begreifen
und mit der Kultivierung des Geistes beginnen.
Mein Wunsch ist es, alle denkenden und fühlenden Menschen
die Stimme des aikido hören zu lassen,
so dass sie ihr eigenes Denken und Fühlen berichtigen können.
Das ist aikido . Das ist seine Aufgabe und sollte auch eure sein ..."
Aus den Schriften von Meister Ueshiba (zitiert aus Trevisan S. 21)

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