Verein zur Förderung persönlichen Wachstums e.V.

Der Verein hatte seinen Sitz 1995-2017 in Welschbillig (Nähe Trier/Luxembourg).

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Willi Habermann

Biografie und Literaturverzeichnis

Willi Habermann

jahreszeitenvariabel - Naturgedichte

WINTERLICHT
ANEMONENGRUND
SOMMERLAND
WOLKENPOSTMODERNES ALLERLEI

 

ANGEBOT NOCH

 

Im Spätjahr

Was schreibe ich auf mein Blatt?

Das Blatt vom Baum,
eben vor meine Füße gefallen,
ist beschrieben vom Jahr.

Sonne, Hagel, Wurmfraß, Vergilben.

Was schreibe ich auf mein Blatt?

 

Septemberfeld

Fortgeerntet sind die Ähren
zum wo anders einen nähren,
stoppelbärtges Feld, Gesicht
eines Riesen, der nicht spricht.

Gestern mild im Wind die Wellen,
feines Klirren kleiner Schellen,
weizengolden stand das Feld,
das der Herbstwind jetzt befällt.

Steingesprenkelt kahles Schachfeld,
neben dem kein Hund mehr Krach bellt;
drüber jagt der Wind die dunkeln
Wolken, keine Sterne funkeln.

 

Blühen

Samendolden-Blütennester,
blühend auf falben Stengeln,
gerillte Säulchen,
die Kronen bald zerfieselt vom Wind.

Angebot noch den Augen,
den Schnäbeln der Vögel.

 

Sanddornstrauch

Rot gebeert die Sommerkraft,
Glanz der Sonne auf dem Rund,
grüner Blätter Leidenschaft
bracht dir Herbstes volle Stund.

Reife Frucht, du Strauchplanet,
viele seid‘s im Büschelstrauß,
Stern an Stern blüht ihr, Magnet,
meine Augen füllt ihr aus.

 

Apfelbaum-Quartett

Schwere Äpfel trägt mein Baum.
Die Zweige zum Boden sich beugen;
die schwangeren müssen die Früchte
austragen. Brechen, brechen sie nicht?
Stützstangen mit Querbrettchen
oben könnten aufhelfen, bewahren.

Froschhautbaumblatt,
überwölbst keinen pulsenden
Leib, die Luft nur
mit deiner bergenden Hand.

Die klugen Blätter
stellen sich neben- und
übereinander rundum und spiralig,
so daß die Sonne ein jedes trifft.

Hängende Zweige.
Gleichläufig nach unten
zielende Zeilen.
Über und über
besteckt mit Äpfelchen
und den eigenwillig
wildförmigen Blättern,
jedes ein Unikat.

 

Überall Gold

Die Wespe
dem Apfelbutzen
aufgesattelt
Gold bei Gold

 

Fall

Die Blätter schämen sich rot.
Herbst ist.
Sie nähren nicht mehr.

Oktobersturm reißt sie
leicht von den Ästen.

Sie trudeln
dem Baum zu Füßen.

 

Kulissen

Aus der Nebelleinwand
treten Hauskulissen,
hinten schleirig,
vorne liegen
rot und nackt
die Dächer da:
glanzlos, unbesonnt,
sich selbst nur ausgeliefert.

 

Blumen

Aus allen Herbstfarbtöpfen
Myriaden Sonnen, Sterne,
Strahlenkopf an Kopf, ihr Blumen,
nah vor meinen Augen.

 

Autofahrt

Die Mittel, das Mittel leben,
das Leben nicht!
Smaragdene Wiesen,
Wolkentürme,
Vogelschwaden nicht!
Nur das Mittel, die Mittel!

Das Mittel, das Fahren leben.

Jetzt will mich der überholen!
Laß ich ihn, laß ich ihn nicht?
Und dann: will ich den,
soll ich ihn überholen?
Schaff ich es? Ja oder Nein!
Läßt er mich ?

Immer das Mittel leben,
das Leben nicht.
Besoffen vom Mittel,
der Gerätschaft,
dem Werkzeug,
des Fahrens Anstrengung,
Lässigkeit,
Angst, Lust und Eitelkeit,
Neid.

Nicht erfahren
die Essigbaumtinte,
den blutenden
Ahorn, den roten
Morgen,
das Feuer des Abends,
Sonne und Mond,
die Geschwister.

 

Baustellenmonat

Baustellenmonat
Oktober. Unterm Goldherbst
rattern die Mischmaschinen,
die Menschenmaschinenwelt.

 

Kran

Waagrecht im Regengrau am
Nieselhimmel lagert
der tote Samstagskran in gelber Farbe.
Ein Schauerwind durch kahle
Stahlgestänge magert.
Im Weekend-Look posiert der
Kran, ist Narbe
der Woche, die als Denkmal ihn entlassen
aus ihrem drehend hebend
senkenden Geschehen.
Die Greiferbacken, die die Kisten fassen,
peitscht eine Sturmbö hoch.
Drahtseile flapsig wehen.
Und wieder stehen still die Stahlgiraffen
am Bauplatzzoo, den wir
freizeit-gestalterisch begaffen.

 

Licht

Oktoberflirrlicht
aus magerem Himmelblau
goldtalert den Baum.

 

Totentanz

Blättertaumelregen.
Pendelschaukelblätter
schweben, wiegen
torkelnd nieder.

 

Aufwachen

Der Schlaf ist leicht geworden,
der Morgen flockt auf.
Sieh, die Wolkensonnenfeuer
hinterspielen stumme
steile Riesen-Pietisten- Pappelherren.
Tag steht überm Trauf.

 

Mettnau

Freie Bläue
goldbeblättert
ohne Atem schwebt
der Tag

 

Elegie

Eingegraut der Himmel,
zugegraut die Stadt,
Hagel-, Sturmgebimmel
uns in Nöten hat.

Das läuft alle Tage
ab in meinem Kopf,
alte neue Frage
rührt im gleichen Topf.

Wenn du einen wüßtest,
der Kopf, Herz dir hält,
wie du ihn begrüßtest,
Freund, du wärst die Welt.

 

Grau

Mausgewöll-Wolken
dunkeln den Himmel.
Es graut der Herbst in die Häuser,
alles wird Schatten.

Im Zimmerwinkel
hörst du
vom Adagio-Klagen
die Coda.

 

Himmelfahrt

In Bogen hochflatternd
erklettert die Lerche den Himmel
wellenden Flugs.

 

Feuergeist

Wenn das Feuer sich auszackt -
und da fließt es in Wellen,
da nestelt am Holz es,
es biegt sich im eigenen Sturm,
es sirmel-wabert in Glut.

Wenn das Feuer in heiligen Schlangen sich feiert -
und gold-rot und schwarz akkompagniert
nach oben triftet und rauscht
und züngelt und langt,
dann nichts mehr begrüßt
und schweigt.

 

Park-Idylle

Wie der Wind durch den Bauch
des Buschs
gezirkelt nach Park Versailles
hindurchfährt,
ihn aufreißt.

Wie autonom
die wild gewordenen Zweige
einander schlagen.

Das Runde aufgebrochen
von der himmlischen Geisel,
zerwühlt,
zerscherbte Fülle,
die schreit.

 

Herbststurm I

Die Winde stehen auf,
bejagen das Land,
attackieren, was steht.

Die du nicht kennst,
die Besen kehren.
Es tanzen den bunten Kehraus
die Blätterstrudel im Drive.
Der Malstrom saugt bedruckte Fetzen.
Es reißt ein Splittern, ein Brechen.
Gestürzte Bäumekraken drohen.
Erschlagen liegt ein Mann zu Kreuz.
Die Teufel sind los.

 

Herbststurm II

Der Wind bürstet
den Bäumen die Blätter vom Kopf.
Skelette bleiben.

Orkannovember
überfällt den Friedhof.
Die toten Blätter
überrollen
und grüßen
ihre Geschwister.

 

Geburtstagsfrühe

Was soll das Urzurück-Feiern?

Schnellwanderstern halber Mond heut
ziehst am Fenster vorbei
in den Geburtstagsmorgen
langsam als Bleichling ein.

Möndin,
Trabantin,
Dienerin,
Lampe geliehenen Lichts.

 

Jagd

Am Himmel Müllsäcke
herbststurmgejagt,
unsre graue Misere immer noch mal.
Dann brennt wieder Sonne
auf im Blau.
Kannst ihr ins Auge nicht sehn.

Ein fochernder Wind -
der durchschnuppert die Straße,
himmelhundnasig.

 

Wendung

Der Regen macht den
Glanz der Dächer. Die lachen
graue Wolken aus.

 

Regennacht

Nach der Regennacht
hängen die gläsernen Tropfen
an Zweigen im Garten,
silberne Ampeln,
ahnungslos,
daß sie mir glänzen.

 

Ferner Waldrand

Die Säge Horizont
reißt am Porzellanhimmel,
du hörst kein Krächzen.

 

Regennovember

Schwarzer Makadamdiamant,
glitzerst
dem feuchten November.

Farbenbunt, formenreich
flecken dich
Blätterleichen.

 

Die Weise von Liebe und Tod

Perverse Spinne
spinnt ihr Netz
über dem Blütenkelchkrater.

 

Majestät

Zappelblätterpappel
regungslos im Stößerwind,
lotgewachsner Turm.

 

Unsicherland

Der Wind scherbelt im Schilf.
Unten gurgelt Moorschluck.
Federnd tritt weich mein Schritt
das Schwarz. Samten es weicht.

 

Lichtküche

Allerseelennebel wehen
mit immerhin 500 Meter Sicht,
und die Sonne bricht schluckauf-weis Licht,
dann dürfen die Schleier im Silber stehen.

 

Herbstgang

Weiß durchäderter
Grauschotterweg,
Stahlglanz trägt er.
Zwischen
stoppelverstrubelten
Äckern.
Die glänzen Gold.
Ich pfeife
das Herbstlied.

 

Wehinger November

für Günter und Annette

Tropfennasser kalter Herbst.
Windtuch, flatterst um die Backen,
gänsehäutig du mich gerbst;
Nebel nieselt ein den Nacken.

Bunter Fleckenkittel-Wald
wirft den Nebelmantel ab,
Katze sich ins Mausgrau krallt,
Igel gräbt das Wintergrab.

Himmel, silberblau voll Bleiben:
Seidenglanz gespannter Herbst,
grünes Blatt zu Blattgold färbst,
Blätter bald in Kreiseln treiben.

Stille lautlos pendelt ein,
Raben rudern ihren Schlag,
in den Kellern gärt der Wein.
Schnee
flockt
weiß
herbstletzten Tag.

 

Kreislauf

Die Blätterleichen
im Gras
bezahlten
die Früchte des Baums.

 

Herbstende

Wie die Gehenkten
hängen letzte drei Blätter
dort im Skelettbaum.

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