MONIKA UNGRUHE
Geh zu den toten Kindern
Trauer um Geschwister - Wie sieht sie aus?
kindliche Reaktionen und Verhaltensweisen
Dieser Thematik wurde bisher in der Öffentlichkeit nur wenig Bedeutung gegeben und sie ist bisher kaum untersucht worden. Erst in jüngerer Zeit gibt es mehr Literatur zum Thema des Einflusses des Tods eines Geschwisters auf überlebende und nachfolgende Geschwisterkinder.
Kinder sind in dieser Situation vielfache Verlierer. Sie verlieren
1. ein Geschwisterkind,
2. die gewohnte Lebenssicherheit,
3. die Aufmerksamkeit der Eltern.
- Als gesundes Kind fühlen sie sich unwichtig, oft sogar ungeliebt.
- Meistens gibt es für sie keinen Raum für die eigene Trauer.
- Sie übernehmen sogar häufig Rollen, die ihrem Alter nicht entsprechen und das auf Kosten ihrer eigenen Entwicklung (Turbokinder).
- Sie übernehmen Verantwortung für ihre Eltern.
- Sie wagen es nicht, ihre Trauer auszudrücken, um die Eltern nicht noch trauriger zu machen.
- Sie sind betont unkompliziert, um ihre Eltern zu schützen.
- Sie sind auffällig unauffällig. (Jorgos Canacakis)
- Da sie Tauer nicht ausdrücken können, sind auch ihre anderen Gefühle blockiert, z.B. Wut und Freude.
- Sie haben oft Schuldgefühle - sei es, dass sie sich am Tod des Geschwisters schuldig fühlen oder weil sie leben dürfen (müssen).
- Sie glauben oft, sie hätten es nicht verdient zu leben oder zu überleben.
- Sie haben häufig ein vermindertes Selbstwertgefühl - verbunden mit der Meinung, das Recht auf Leben müsse man sich durch harte Arbeit verdienen, viel leisten, alle Aufgaben erfüllen.
- Kinder reagieren oft mit Bauch- oder Kopfweh, Appetitlosigkeit, Krankheiten, Schulschwierigkeiten.
- Sie ziehen sich zurück, werden still und schweigsam.
- Sie haben oft Angst, dass noch eine wichtige Person sterben könnte.
- Sie haben Angst in der Dunkelheit.
- Sie sind oft sehr angepasst oder auch das Gegenteil - sie sind überaktiv, rebellisch, aggressiv.
- Psychologische, psychiatrische und psychosomatische Störungen sind nicht selten.
Im Folgenden will ich meine eigenen Erfahrungen mitteilen.
MEINE FAMIliE
Die Großfamilie im elterlichen Haus bestand aus Großeltern, Eltern, einem Onkel, zwei Tanten und den Kindern.
Die Eltern heirateten 1940. Bald nach der Hochzeit wurde der Vater für ein paar Jahre krank (nicht heilende Wunde am Rücken, Verdacht auf Tuberkulose).
Von Februar 1941- November 1951 wurden sieben Kinder ohne Komplikationen zu Hause geboren.
Drei Kinder starben im Säuglingsalter, das vierte war auch schwerkrank - aber überlebte: das war ich.
Geburtsfolge der Geschwister:
* 1941 Hildegard lebt
* 1942 Robert gestorben im Alter von 3 Monaten
* 1943 Theo gestorben im Alter von 8 Monaten
* 1945 Monika lebt, nach schwerer Krankheit im Alter von 1 Jahr
* 1947 Reinhold lebt
* 1948 Anneliese gestorben im Alter von 10 Monaten
* 1951 Laurenz lebt
FRAGEBOGEN FÜR MEINE GESCHWISTER
Fragen für meine Geschwister:
1. Wie alt warst Du bei dem Tod Deiner Geschwister?
2. An was kannst Du dich erinnern? Wie hast Du dich erlebt, wie die anderen?
3. Wie hast Du die Atmosphäre und Stimmung in der Familie wahrgenommen: Zum Zeitpunkt des Todes? In der Zeit danach?
4. Welche Gefühle hattest Du selbst: Zum Zeitpunkt des Todes? In der Zeit danach?
5. Was hättest Du angesichts des Todes Deiner Geschwister gebraucht? Was hat Dir gefehlt?
6. Welche Gefühle rufen heute noch die Erinnerung an den Tod Deiner Geschwister in Dir wach?
7. Wie hat Deiner Meinung nach der Tod Deiner Geschwister Dein Leben geprägt und beeinflusst?
8. Sind Deine verstorbenen Geschwister heute noch für Dich gegenwärtig und wenn ja, wie?