MONIKA UNGRUHE
Geh zu den toten Kindern
Epilog
Ein jüdisches Sprichwort sagt:
Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung.
Es ist wichtig, die Toten in der Erinnerung lebendig zu halten. Doch das allein reicht nicht aus. Die Trauer muss ihren Ausdruck finden, sich äußern dürfen, damit sie nicht lebenshindernd und krankmachend wirkt. Der Ausdruck ist die Voraussetzung dafür, dass die (Über-)Lebenden ein lebendiges Leben führen können.
In meiner Antwort auf die Frage: Wie hat deiner Meinung nach der Tod deiner Geschwister dein Leben beeinflusst? habe ich beschrieben, was ich denke über den Einfluss auf mein Leben. Durch diese Abschlussarbeit - mit dem Hingehen zu den toten Kindern - hat sich viel gelöst. Es ist, als sei ich eine gewisse Schwere losgeworden und als habe sich ein Ring oder eine Klammer gelöst, die ich oft um meinem Herzen spürte. Dazu fällt mir der Satz aus einem Märchen ein: "Heinrich, der Wagen bricht."- "Nein Herr, der Wagen ist es nicht, es ist ein Band von meinem Herzen, das da lag in großen Schmerzen..."
Ich bin sehr dankbar, dass ich durch diese Arbeit selber Trauerumwandlung erleben durfte. "Ohne Trauer keine Power!"
Abschließen möchte ich diese Arbeit mit Zeilen aus einem Gedicht von Dorothee Sölle:
Gib mir die Gabe der Tränen Gott
Gib mir die Gabe der Sprache
...
Wie kann ich reden
Wenn ich vergessen habe, wie man weint?
Mach mich nass
Versteck mich nicht mehr
...
Gib mir die Gabe der Tränen, Gott
Gib mir die Gabe der Sprache
...
Wie kann ich reden
Wenn meine Tränen nur für mich sind
Nimm mir das private Eigentum
...
Gib mir die Gabe der Tränen, Gott
Gib mir die Gabe der Sprache
Gib mir das Wasser des Lebens
Sölle, Dorothee (1979): fliegen lernen, gedichte. Berlin, Fietkau. S. 35
